Newsnational Mittwoch, 31.07.2019 |  Drucken

Debatte über Schweinefleischverzicht in KITAS – Werden bewusst Prioritäten anders gesetzt?

Die Empörung über Moschee-, und Koranschändungen und Bombendrohungen gegen Moscheen im Land hielt sich in Grenzen, während eine heftige Diskussion über Schweinefleischverzicht in Leipziger KITAS entbrannte – Sind Muslime Opfer zweiter Klasse?

Leipzig - In der Diskussion über den Verzicht auf Schweinefleisch in zwei Leipziger Kitas aus Rücksicht auf muslimische Kinder haben sich jeweils die Zentralräte der Juden und der Muslime vor Überreaktionen geäußert.

Der Zentralrat der Muslime thematisierte am Mittwoch vor allem die dadurch ausgelöste Empörung. „Erstaunlich welch angebliche Rücksichtnahmen erfolgen, obgleich sie nicht mal von Muslimen ausgehen. Und wie die Empörungswelle um ein Vielfaches höher ist als bei den derzeitigen, schrecklichen täglichen Schändungen und Bombendrohungen gegen deutsche Moscheen von mutmaßlich Rechtsradikalen“, erklärte Aiman A. Mazyek, Vorsitzender des Zentralrates der Muslime in Deutschland der DPA. Es mache zudem für Mazyek und auch bei vielen Muslimen den Eindruck, dass Muslime in diesem Land als Opfer zweiter Klasse behandelt würden. Diesem Eindruck müsse man entschieden entgegenwirken.

„Das Letzte, was wir brauchen, ist Hetze gegen Minderheiten, nur weil in einer Einrichtung über den Speiseplan nachgedacht wird“, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, am Mittwoch in Dresden der DPA. Grundsätzlich halte er diese Entscheidung für positiv, dass mit höherer Sensibilität als früher darüber nachgedacht werde, Rücksicht auf religiöse Traditionen oder Bedürfnisse von Minderheiten zu nehmen: „Ich denke allerdings, dass ein Verbot von Schweinefleisch übers Ziel hinausgeschossen wäre.“

Die Kitas in Leipzig hatten angekündigt, fortan mit Rücksicht auf muslimische Kinder kein Schweinefleisch mehr auf den Speiseplan zu setzen und etwa auf Gelatine in Süßigkeiten bei Feiern zu verzichten. Nach einer massiven öffentlichen Diskussion nahmen die Einrichtungen am Dienstag davon aber wieder Abstand von ihrer Ankündigung. Zugleich äußerte er sein Unverständnis über die Aufregung. Denn die Mehrheit der Eltern habe diese Entscheidung begrüßt. Muslimen ist es nach den Regeln ihres Glaubens verboten Schweinefleisch zu essen.

Josef Schuster sprach von einer „aufgeregten Debatte“ und riet zu mehr Gelassenheit: „Es reicht meines Erachtens, wenn Kindern, die aus verschiedenen Gründen ein bestimmtes Essen nicht zu sich nehmen können, eine Alternative angeboten wird. Das gilt ja zum Beispiel auch für Allergiker. Jüdische Kinder, die sich koscher ernähren, wissen, dass sie normale Gummibärchen nicht essen können oder nicht mit ihren Freunden beim Fast-Food-Restaurant einkehren. Das gehört zu ihrem Alltag. Sie empfinden das aber nicht als Diskriminierung.“

Besonders heftig reagierte die AfD. Aber auch die CDU sprach von einer inakzeptablen Entscheidung. Die Polizei postierte aus Sorge über einen Übergriff auf die Kitas einen Streifenwagen vor den beiden benachbarten Einrichtungen. Ähnliche Sicherheitsmaßnahmen seitens der zuständigen Behörden wären auch bei den im Wochen Takt geschehenen Moschee-, und Koranschändungen sicherlich auch zu erwarten gewesen, jedoch blieben sie außen vor. Die Frage stellt sich nun, ob hier bewusst falsche Prioritäten von den Behörden gesetzt werden?




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